Weltliteratur: Nach letzten Erkenntnissen von August Wilhelm Schlözer (1735-1809) 1773 zum ersten Mal in Umlauf gebracht, aber erst 1827 von Goethe konzeptuell erschlossen, wird der Begriff umgangssprachlich weithin vor dem Hintergrund einer quantitativen (Gesamtheit der Literaturen aller Länder) wie qualitativen Bestimmung (ein Kanon von Meisterwerken aus den Nationalliteratu-ren aller Länder und Zeiten) definiert. Die Vorstellung davon, was seitdem unter Weltliteratur nun eigentlich zu verstehen ist, hat sich im Laufe der Jahrhunderte grundlegend geändert. In jüngster Zeit versuchten u. a. Pascale Casanova (La République Mondiale des Lettres, 1999), David Damrosch (What is World Literature?, 2003) und Elke Sturm-Trigonakis (Versuch über die Neue Weltliteratur, 2007) die komplexe Verschränkung eines global ausgerichteten Vergleichs von Literaturen sowohl terminologisch wie inhaltlich neu zu fassen. Der vorl. Band versucht nun, „ausgehend von Erich Auerbachs Auseinandersetzung mit dem von Goethe (um-)geprägten Konzept in seinem berühmten Essay über eine künftig zu schaffende ‚Philologie der Weltliteratur‘, die Entfaltung einer Theorie und Praxis der Literaturen der Welt zu wagen“ (2). Im Unterschied zu seinen Vorgängern konzipiert Verf. Weltliteratur im Sinne einer „Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft“ (2), in der es darum geht, „die Phänomene des jahrhundertelangen und in verschiedenen Schüben vor sich gehenden Globalisierungsprozesses mit ausreichender polyperspektivischer Komplexität und mit großer Lebensnähe“ zu verstehen (60). Die dreizehn Kapitel wurden in fünf in sich schlüssige Abschnitte subsumiert: Theorie, Vektoren, Archipel I, ZeitRäume und Archipel II. Sie zeigen fraktale, d. h. multiperspektivische „Wege durch die Literaturen der Welt auf“ (3), denen eine „Vektorisierung aller Bezüge“ (59) zugrunde liegt. Dementsprechend wird der Akzent der Erörterungen von der Raum- auf eine dynamische Bewegungsgeschichte verschoben. Dies umfasst Untersuchungen zu Landschaften und Reisen im Rahmen einer „transarealen Reiseliteratur“ ebenso, wie die in Anlehnung an Roland Barthes ausgeführten thematischen Kartographien zur Globalen Welt, die Ausführungen zur „Dynamik der Unruhe“ und deren „hohe Intensität der Bewegung“ (254) sowie zur Neuen Welt „in den Amerikas“ (307), in denen die „Archipele des Wissens“ (332) und „transareale Globalisierungsgeschichten“ (344) fokussiert werden. Die Faszination dieses Buches liegt sicherlich in der Souveränität begründet, die vielfältigen Facetten in den literarischen Welt- und Lebensgestaltungen sowie -auslegungen zu einer Entdeckungsreise zusammenzufügen.

Sandro Moraldo (2020). Ottmar Ette: WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt. GERMANISTIK, 61(3/4), 945-946.

Ottmar Ette: WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt

Sandro Moraldo
2020

Abstract

Weltliteratur: Nach letzten Erkenntnissen von August Wilhelm Schlözer (1735-1809) 1773 zum ersten Mal in Umlauf gebracht, aber erst 1827 von Goethe konzeptuell erschlossen, wird der Begriff umgangssprachlich weithin vor dem Hintergrund einer quantitativen (Gesamtheit der Literaturen aller Länder) wie qualitativen Bestimmung (ein Kanon von Meisterwerken aus den Nationalliteratu-ren aller Länder und Zeiten) definiert. Die Vorstellung davon, was seitdem unter Weltliteratur nun eigentlich zu verstehen ist, hat sich im Laufe der Jahrhunderte grundlegend geändert. In jüngster Zeit versuchten u. a. Pascale Casanova (La République Mondiale des Lettres, 1999), David Damrosch (What is World Literature?, 2003) und Elke Sturm-Trigonakis (Versuch über die Neue Weltliteratur, 2007) die komplexe Verschränkung eines global ausgerichteten Vergleichs von Literaturen sowohl terminologisch wie inhaltlich neu zu fassen. Der vorl. Band versucht nun, „ausgehend von Erich Auerbachs Auseinandersetzung mit dem von Goethe (um-)geprägten Konzept in seinem berühmten Essay über eine künftig zu schaffende ‚Philologie der Weltliteratur‘, die Entfaltung einer Theorie und Praxis der Literaturen der Welt zu wagen“ (2). Im Unterschied zu seinen Vorgängern konzipiert Verf. Weltliteratur im Sinne einer „Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft“ (2), in der es darum geht, „die Phänomene des jahrhundertelangen und in verschiedenen Schüben vor sich gehenden Globalisierungsprozesses mit ausreichender polyperspektivischer Komplexität und mit großer Lebensnähe“ zu verstehen (60). Die dreizehn Kapitel wurden in fünf in sich schlüssige Abschnitte subsumiert: Theorie, Vektoren, Archipel I, ZeitRäume und Archipel II. Sie zeigen fraktale, d. h. multiperspektivische „Wege durch die Literaturen der Welt auf“ (3), denen eine „Vektorisierung aller Bezüge“ (59) zugrunde liegt. Dementsprechend wird der Akzent der Erörterungen von der Raum- auf eine dynamische Bewegungsgeschichte verschoben. Dies umfasst Untersuchungen zu Landschaften und Reisen im Rahmen einer „transarealen Reiseliteratur“ ebenso, wie die in Anlehnung an Roland Barthes ausgeführten thematischen Kartographien zur Globalen Welt, die Ausführungen zur „Dynamik der Unruhe“ und deren „hohe Intensität der Bewegung“ (254) sowie zur Neuen Welt „in den Amerikas“ (307), in denen die „Archipele des Wissens“ (332) und „transareale Globalisierungsgeschichten“ (344) fokussiert werden. Die Faszination dieses Buches liegt sicherlich in der Souveränität begründet, die vielfältigen Facetten in den literarischen Welt- und Lebensgestaltungen sowie -auslegungen zu einer Entdeckungsreise zusammenzufügen.
2020
Sandro Moraldo (2020). Ottmar Ette: WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt. GERMANISTIK, 61(3/4), 945-946.
Sandro Moraldo
File in questo prodotto:
Eventuali allegati, non sono esposti

I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.

Utilizza questo identificativo per citare o creare un link a questo documento: https://hdl.handle.net/11585/857009
 Attenzione

Attenzione! I dati visualizzati non sono stati sottoposti a validazione da parte dell'ateneo

Citazioni
  • ???jsp.display-item.citation.pmc??? ND
  • Scopus ND
  • ???jsp.display-item.citation.isi??? ND
social impact