Diese „Streitschrift“ (12) plädiert für mehr Sprachbewusstsein im Umgang mit deutschen Wörtern und Ausdrücken, „denen der Antisemitismus richtiggehend eingeschrieben ist“ (13). Ausgangs-punkt ist der Tatbestand, dass es auch positive Entlehnungen aus dem Jiddischen („Jiddismen“; 19) gibt, wie z. B. die Wörter Tacheles (hebr. tachlit für Klartext), Zores (hebr. zarot für Ärger), Schlamassel „(Unglück, aus der Kombination des deutschen schlimm und des hebräischen masal, Glück)“ (19) oder Lehnübersetzungen wie meschugge. Während diese Wörter jedoch „im Deutschen heute […] denselben Sinngehalt ausdrücken sollen wie im Original“ (20), gibt es andere, denen keinesfalls eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ (28) ausgestellt werden kann. Sei es nun mischpoke „(mischpóche bedeutet einfach Familie)“, bei dem ein bestimmter „Klang der Anrüchig-keit“ (27) mitschwingen soll, oder etwa mauscheln, „es ist abgeleitet von Mauschel, der jiddischen Form des Vornamens Moses (auf hebräisch: Mosche)“: diese „diskriminierenden Mechanismen“ basieren auf einen negativen Bedeutungswandel, bei dem allein die jiddische Herkunft für eine pejorative Assoziation der ansonsten wertneutralen Wörter fungiert. Aber auch der „miese Sound bestimmter Wortkombinationen“ (33) wie die „ungute Wortfolge“ (35) ‚der Jude + Nachnamen‘ wird fokussiert, weil dadurch „ein historischer Anklang durch die konkrete Verwendung des Wortes aufgerufen“ (36) und der Ausdruck im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie eingesetzt werden könnte. Abschließend hinterfragt Verf. Sinngehalt und Bedeutung von semitisch, mosaisch und israelitisch (55ff.), die als Synonyme geschaffen wurden, „um edler zu klingen als jüdisch“ (62) und überführt sie ihrer Scheinheiligkeit. Das Bändchen zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie wichtig reflektierter Sprachgebrauch für die Intention und Wirkung unseres kommunikativen Handelns ist.
Sandro Moraldo (2020). Steinke, Ronen: Antisemitismus in der Sprache. Warum es auf die Wortwahl ankommt. GERMANISTIK, 61(3/4), 890-890.
Steinke, Ronen: Antisemitismus in der Sprache. Warum es auf die Wortwahl ankommt
Sandro Moraldo
2020
Abstract
Diese „Streitschrift“ (12) plädiert für mehr Sprachbewusstsein im Umgang mit deutschen Wörtern und Ausdrücken, „denen der Antisemitismus richtiggehend eingeschrieben ist“ (13). Ausgangs-punkt ist der Tatbestand, dass es auch positive Entlehnungen aus dem Jiddischen („Jiddismen“; 19) gibt, wie z. B. die Wörter Tacheles (hebr. tachlit für Klartext), Zores (hebr. zarot für Ärger), Schlamassel „(Unglück, aus der Kombination des deutschen schlimm und des hebräischen masal, Glück)“ (19) oder Lehnübersetzungen wie meschugge. Während diese Wörter jedoch „im Deutschen heute […] denselben Sinngehalt ausdrücken sollen wie im Original“ (20), gibt es andere, denen keinesfalls eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ (28) ausgestellt werden kann. Sei es nun mischpoke „(mischpóche bedeutet einfach Familie)“, bei dem ein bestimmter „Klang der Anrüchig-keit“ (27) mitschwingen soll, oder etwa mauscheln, „es ist abgeleitet von Mauschel, der jiddischen Form des Vornamens Moses (auf hebräisch: Mosche)“: diese „diskriminierenden Mechanismen“ basieren auf einen negativen Bedeutungswandel, bei dem allein die jiddische Herkunft für eine pejorative Assoziation der ansonsten wertneutralen Wörter fungiert. Aber auch der „miese Sound bestimmter Wortkombinationen“ (33) wie die „ungute Wortfolge“ (35) ‚der Jude + Nachnamen‘ wird fokussiert, weil dadurch „ein historischer Anklang durch die konkrete Verwendung des Wortes aufgerufen“ (36) und der Ausdruck im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie eingesetzt werden könnte. Abschließend hinterfragt Verf. Sinngehalt und Bedeutung von semitisch, mosaisch und israelitisch (55ff.), die als Synonyme geschaffen wurden, „um edler zu klingen als jüdisch“ (62) und überführt sie ihrer Scheinheiligkeit. Das Bändchen zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie wichtig reflektierter Sprachgebrauch für die Intention und Wirkung unseres kommunikativen Handelns ist.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.


