„Doppeltgänger“, so Jean Paul in seinem Roman Siebenkäs (1796/97), „heißen Leute, die sich selber sehen“. Mit dieser Definition schuf er den Begriff für ein Phänomen, das an Faszinationskraft in der Realität wie in der Fiktion seinesgleichen sucht. Mehr als jedes andere Motiv thematisiert und problematisiert der Doppelgänger die komplexen psychischen, sozialen und gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen von individueller Identität. Den vielfältigen Schnittstellen und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bestimmungsfaktoren hat die Komparatistik dann in zahlreichen Arbeiten im Kontext (nicht nur) der Literatur Rechnung getragen. Hierbei ging es meist um die Erstellung einer zur Typologie hin tendierenden Phänomenologie seiner Erscheinungsformen, sowie um eine schematische Übersicht der Motivvarianten und ihrer Funktionen. Neben Jean Pauls Begriffsdefinition ist es vor allem seinem Schriftstellerkollegen E.T.A. Hoffmann zu verdanken, dass das Motiv dann in der Romantik einen literarischen Höhepunkt erreicht. In Erzählungen und Romanen hat er dem aus der Antike geerbten Motiv neue Impulse gegeben. In seinem Capriccio Prinzessin Brambilla (1821) wird die in den Serapionsbrüdern so meisterhaft ausgearbeitete und dem Leser so anschaulich vor Augen geführte Weltanschauung der Duplizität des Seins direkt mit der Doppelgängerthematik gekoppelt und inhaltlich dann theoretisch wie begrifflich am chronischen Dualismus festgemacht.

Sandro Moraldo (2008). Der Mensch und sein artifizielles Double. Formen humaner Reproduzierbarkeit in Oskar Panizzas «Die Menschenfabrik» und Ray Bradburys «Marionettes, Inc.». STUDI COMPARATISTICI, I(2), 391-405.

Der Mensch und sein artifizielles Double. Formen humaner Reproduzierbarkeit in Oskar Panizzas «Die Menschenfabrik» und Ray Bradburys «Marionettes, Inc.»

Sandro Moraldo
2008

Abstract

„Doppeltgänger“, so Jean Paul in seinem Roman Siebenkäs (1796/97), „heißen Leute, die sich selber sehen“. Mit dieser Definition schuf er den Begriff für ein Phänomen, das an Faszinationskraft in der Realität wie in der Fiktion seinesgleichen sucht. Mehr als jedes andere Motiv thematisiert und problematisiert der Doppelgänger die komplexen psychischen, sozialen und gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen von individueller Identität. Den vielfältigen Schnittstellen und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bestimmungsfaktoren hat die Komparatistik dann in zahlreichen Arbeiten im Kontext (nicht nur) der Literatur Rechnung getragen. Hierbei ging es meist um die Erstellung einer zur Typologie hin tendierenden Phänomenologie seiner Erscheinungsformen, sowie um eine schematische Übersicht der Motivvarianten und ihrer Funktionen. Neben Jean Pauls Begriffsdefinition ist es vor allem seinem Schriftstellerkollegen E.T.A. Hoffmann zu verdanken, dass das Motiv dann in der Romantik einen literarischen Höhepunkt erreicht. In Erzählungen und Romanen hat er dem aus der Antike geerbten Motiv neue Impulse gegeben. In seinem Capriccio Prinzessin Brambilla (1821) wird die in den Serapionsbrüdern so meisterhaft ausgearbeitete und dem Leser so anschaulich vor Augen geführte Weltanschauung der Duplizität des Seins direkt mit der Doppelgängerthematik gekoppelt und inhaltlich dann theoretisch wie begrifflich am chronischen Dualismus festgemacht.
2008
Sandro Moraldo (2008). Der Mensch und sein artifizielles Double. Formen humaner Reproduzierbarkeit in Oskar Panizzas «Die Menschenfabrik» und Ray Bradburys «Marionettes, Inc.». STUDI COMPARATISTICI, I(2), 391-405.
Sandro Moraldo
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