Die Vorstellung einer mehrsprachigen Europäischen Union nimmt im Zuge der europäischen Integration, dem Wandel moderner Industriegesellschaften zu Informations- und Wissensgesellschaften und der Globalisierung der Weltmärkte – zumindest auf dem Papier – immer mehr Realitätscharakter an. Sprachliche Vielfalt und Förderung des Spracherwerbs sind zentrale Eckpunkte der EU-Bildungspolitik. Seit dem Beschluss des Europarates vom 31. März 1995 zur qualitativen Verbesserung und Diversifizierung des Erwerbs von Fremdsprachenkenntnissen und des Fremdsprachenunterrichts in deren Bildungssystemen hat die EU besonders im Verlauf des letzten Jahrzehnts verstärkt mit verschiedenen Empfehlungen und Aktionsplänen Maßnahmen ergriffen und einen umfassenden bildungspolitischen Rahmen für die Mehrsprachigkeit geschaffen. In der Mitteilung „Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung“ formulierte die Europäische Kommission letztlich noch einmal wichtige Ansätze, um bei den Mitgliedsstaaten das Bewusstsein für den Wert der Sprachenvielfalt und die von dieser Vielfalt ausgehenden Chancen zu schärfen sowie den Abbau von Hindernissen für den interkulturellen Dialog zu fördern. Zentrales Instrument dafür sollte die Erreichung des vom Europäischen Rat in Barcelona (15./16. März 2002) proklamierten Ziels sein, neben der eigenen Muttersprache zusätzlich zwei weitere Fremdsprachen von frühester Kindheit an zu lernen. Dass sich die EU immer wieder dem Thema der Mehrsprachigkeit zuwendet, spricht zum einen für den hohen Stellenwert, der Sprachen nicht nur im Zuge der europäischen Integration zukommt und immer mehr zukommen wird. Zum anderen für den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Mehrwert, der mit der Herausbildung neuer Strukturen im Globalisierungsprozess die Bürger auf den europäischen Arbeitsmarkt, die demographische Veränderung der ethnischen Komposition moderner Gesellschaften und damit einhergehend auf die Pluralisierung von Lebensstilen vorbereiten will. Dies im Groben die Rahmenbedingungen, unter denen die einzelnen EU-Staaten aufgerufen waren, der ersehnten plurilinguistischen Wirklichkeit Europas mit einer entsprechenden Bildungspolitik Rechnung zu tragen. Zu fragen ist nun, wie sich in einem Land wie Italien, in dem die sichere Beherrschung anderer Fremdsprachen wahrlich keine Selbstverständlichkeit darstellt, das ehrgeizige Ziel der Sprachenvielfalt umsetzen und realisieren lässt. In einem ersten Kapitel soll daher zuerst die Stellung der italienischen Sprache dargelegt werden. In diesem Zusammenhang werden dann in Kapitel 2 auch kurz die Sprachminderheiten fokussiert. Daran anschließend thematisiert Kapitel 3 zum einen die tief greifende Strukturreform des Schulwesens und zum anderen die Fremdsprachenkenntnisse und -kompetenzen der Italiener. In einem weiteren Schritt wird dargelegt, wie der schulische Fremdsprachenunterricht auf der Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) neu strukturiert wurde (Kap. 4). Es soll dann die Frage diskutiert werden, ob die Bildungsreform tatsächlich den Anforderungen einer multilingualen Gesellschaft entspricht (Kap. 5). Kapitel 6 klärt, wie Mehrsprachigkeit didaktisch-methodisch kreativ genutzt werden kann und sich dadurch neue, Erfolg versprechende Wege des Fremdsprachenlehrens und -lernens eröffnen. Abschließend wird ein kurzes Fazit gezogen (Kap. 7).

Sandro M. Moraldo (2010). Die Fremdsprachen an den Schulen Italiens im Kontext einer europäischen Bildungspolitik. SOCIOLINGUISTICA, 24, 134-152.

Die Fremdsprachen an den Schulen Italiens im Kontext einer europäischen Bildungspolitik

MORALDO, SANDRO
2010

Abstract

Die Vorstellung einer mehrsprachigen Europäischen Union nimmt im Zuge der europäischen Integration, dem Wandel moderner Industriegesellschaften zu Informations- und Wissensgesellschaften und der Globalisierung der Weltmärkte – zumindest auf dem Papier – immer mehr Realitätscharakter an. Sprachliche Vielfalt und Förderung des Spracherwerbs sind zentrale Eckpunkte der EU-Bildungspolitik. Seit dem Beschluss des Europarates vom 31. März 1995 zur qualitativen Verbesserung und Diversifizierung des Erwerbs von Fremdsprachenkenntnissen und des Fremdsprachenunterrichts in deren Bildungssystemen hat die EU besonders im Verlauf des letzten Jahrzehnts verstärkt mit verschiedenen Empfehlungen und Aktionsplänen Maßnahmen ergriffen und einen umfassenden bildungspolitischen Rahmen für die Mehrsprachigkeit geschaffen. In der Mitteilung „Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung“ formulierte die Europäische Kommission letztlich noch einmal wichtige Ansätze, um bei den Mitgliedsstaaten das Bewusstsein für den Wert der Sprachenvielfalt und die von dieser Vielfalt ausgehenden Chancen zu schärfen sowie den Abbau von Hindernissen für den interkulturellen Dialog zu fördern. Zentrales Instrument dafür sollte die Erreichung des vom Europäischen Rat in Barcelona (15./16. März 2002) proklamierten Ziels sein, neben der eigenen Muttersprache zusätzlich zwei weitere Fremdsprachen von frühester Kindheit an zu lernen. Dass sich die EU immer wieder dem Thema der Mehrsprachigkeit zuwendet, spricht zum einen für den hohen Stellenwert, der Sprachen nicht nur im Zuge der europäischen Integration zukommt und immer mehr zukommen wird. Zum anderen für den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Mehrwert, der mit der Herausbildung neuer Strukturen im Globalisierungsprozess die Bürger auf den europäischen Arbeitsmarkt, die demographische Veränderung der ethnischen Komposition moderner Gesellschaften und damit einhergehend auf die Pluralisierung von Lebensstilen vorbereiten will. Dies im Groben die Rahmenbedingungen, unter denen die einzelnen EU-Staaten aufgerufen waren, der ersehnten plurilinguistischen Wirklichkeit Europas mit einer entsprechenden Bildungspolitik Rechnung zu tragen. Zu fragen ist nun, wie sich in einem Land wie Italien, in dem die sichere Beherrschung anderer Fremdsprachen wahrlich keine Selbstverständlichkeit darstellt, das ehrgeizige Ziel der Sprachenvielfalt umsetzen und realisieren lässt. In einem ersten Kapitel soll daher zuerst die Stellung der italienischen Sprache dargelegt werden. In diesem Zusammenhang werden dann in Kapitel 2 auch kurz die Sprachminderheiten fokussiert. Daran anschließend thematisiert Kapitel 3 zum einen die tief greifende Strukturreform des Schulwesens und zum anderen die Fremdsprachenkenntnisse und -kompetenzen der Italiener. In einem weiteren Schritt wird dargelegt, wie der schulische Fremdsprachenunterricht auf der Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) neu strukturiert wurde (Kap. 4). Es soll dann die Frage diskutiert werden, ob die Bildungsreform tatsächlich den Anforderungen einer multilingualen Gesellschaft entspricht (Kap. 5). Kapitel 6 klärt, wie Mehrsprachigkeit didaktisch-methodisch kreativ genutzt werden kann und sich dadurch neue, Erfolg versprechende Wege des Fremdsprachenlehrens und -lernens eröffnen. Abschließend wird ein kurzes Fazit gezogen (Kap. 7).
2010
Sandro M. Moraldo (2010). Die Fremdsprachen an den Schulen Italiens im Kontext einer europäischen Bildungspolitik. SOCIOLINGUISTICA, 24, 134-152.
Sandro M. Moraldo
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