Überzeugt davon, dass die »Sprachwissenschaft mitten im gesellschaftli‐ chen Diskurs zur Migrationsfrage angekommen [ist]« (4), aber »eine ko‐ härente Untersuchung der sprachlichen Entwicklungen, die sich auf den historischen Verlauf der Einwanderung nach Deutschland abbilden lässt« (5), bisher nicht geleistet wurde, versucht der Verf. diese diachrone Lücke in der Migrationslinguistik mit einer generationenübergreifenden Perspektive der letzten 50 Jahre zu schließen. Ausgehend von der Koinéi‐ sierungstheorie werden sieben morphosyntaktische Sprachwandelphä‐ nomene fokussiert: die uneindeutige Zuordnung von Form und Funktion bei der Deklination, die Auslassung von Artikelwörtern, Pronomen und Präpositionen, die Abweichungen in der Verbkonjugation, die mehrfache oder fehlende Vorfeldbesetzung und der Existenzausdruck es gibt. Diese Merkmale werden vor dem Hintergrund der jeweils unterschiedlichen Spracherwerbssituation an verschiedenen Generationen, angefangen bei der Einwanderergeneration über die Generation migrierter Kinder bis zu den in Deutschland geborenen Kindern und schließlich den Multiethno‐ lektsprechern abgeglichen. In einem abschließenden Kapitel werden dann die Generationen und Zeitabschnitte zusammengeführt, um die in der systematischen Datenanalyse ermittelten Gemeinsamkeiten und Un‐ terschiede der morphosyntaktischen Variation abzubilden. Fakt ist, dass über mehrere Generationen und Zeitabschnitte eine Weitergabe, Abnah‐ me und Funktionalisierung der morphosyntaktischen Merkmale erfolgt, die ethnische Grenzen zunehmend verwischen. Die Untersuchung vermit‐ telt auf allgemeinverständliche und zugleich wissenschaftlich fundierte Weise wichtige Einblicke in ein aktuelles Forschungsfeld und trägt da‐ durch zu einem besseren Verständnis der migrationslinguistischen Ent‐ wicklungen in Deutschland bei.
Moraldo, S.M. (2023). Hünlich, David: Von »Gastarbeiterdeutsch« zu »Kiezdeutsch«. Morphosyntax im Wandel. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2022. (OraLingua; 19). GERMANISTIK, 64(1/2), 90-91.
Hünlich, David: Von »Gastarbeiterdeutsch« zu »Kiezdeutsch«. Morphosyntax im Wandel. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2022. (OraLingua; 19)
Sandro M. Moraldo
2023
Abstract
Überzeugt davon, dass die »Sprachwissenschaft mitten im gesellschaftli‐ chen Diskurs zur Migrationsfrage angekommen [ist]« (4), aber »eine ko‐ härente Untersuchung der sprachlichen Entwicklungen, die sich auf den historischen Verlauf der Einwanderung nach Deutschland abbilden lässt« (5), bisher nicht geleistet wurde, versucht der Verf. diese diachrone Lücke in der Migrationslinguistik mit einer generationenübergreifenden Perspektive der letzten 50 Jahre zu schließen. Ausgehend von der Koinéi‐ sierungstheorie werden sieben morphosyntaktische Sprachwandelphä‐ nomene fokussiert: die uneindeutige Zuordnung von Form und Funktion bei der Deklination, die Auslassung von Artikelwörtern, Pronomen und Präpositionen, die Abweichungen in der Verbkonjugation, die mehrfache oder fehlende Vorfeldbesetzung und der Existenzausdruck es gibt. Diese Merkmale werden vor dem Hintergrund der jeweils unterschiedlichen Spracherwerbssituation an verschiedenen Generationen, angefangen bei der Einwanderergeneration über die Generation migrierter Kinder bis zu den in Deutschland geborenen Kindern und schließlich den Multiethno‐ lektsprechern abgeglichen. In einem abschließenden Kapitel werden dann die Generationen und Zeitabschnitte zusammengeführt, um die in der systematischen Datenanalyse ermittelten Gemeinsamkeiten und Un‐ terschiede der morphosyntaktischen Variation abzubilden. Fakt ist, dass über mehrere Generationen und Zeitabschnitte eine Weitergabe, Abnah‐ me und Funktionalisierung der morphosyntaktischen Merkmale erfolgt, die ethnische Grenzen zunehmend verwischen. Die Untersuchung vermit‐ telt auf allgemeinverständliche und zugleich wissenschaftlich fundierte Weise wichtige Einblicke in ein aktuelles Forschungsfeld und trägt da‐ durch zu einem besseren Verständnis der migrationslinguistischen Ent‐ wicklungen in Deutschland bei.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.