Moraldo, S.M. (2015). Fremdheit in der Heymat als Zuschreibung, Faszinosum und Bedrohung – Ein Versuch über Jakob Arjounis Bruder Kemal.. Bielefeld : Aisthesis.
Fremdheit in der Heymat als Zuschreibung, Faszinosum und Bedrohung – Ein Versuch über Jakob Arjounis Bruder Kemal.
MORALDO, SANDRO
2015
Abstract
Mehr als andere Gattungen steht der Kriminalroman – zumal in seiner klassischen Form – in einer festen thematischen und formalen Tradition: Die für ihn typischen Elemente werden pragmatisch und zielgerichtet eingesetzt, von Mal zu Mal (leicht) variiert und mit der richtigen Portion Spannung versehen. Ein Schema mit Konstanten und Varianten. Die nachhaltige Befriedigung, die die Gattung so bei ihren Konsumenten erzeugt, hat etwas mit dem Bedürfnis zu tun, die Alltagswirklichkeit als eine lückenlose und sinnvolle Kette von Ursachen und Wirkungen zu begreifen. Das ist ihr Erfolgsrezept. Aber auch ihr Limit. Denn gute Krimis sind mehr als nur schematische Konstruktionen, mitreißende Geschichten von der Kehrseite des Guten oder spannender Unterhaltungsstoff eines Autors, der sein erzählerisches Handwerk perfekt beherrscht und den Plot virtuos auf Standardsituationen zu komprimieren versteht. Formale Kunstfertigkeit, sprachliche Finesse, Sinn für Dramaturgie, Detaildichte, präzise Charakterskizzen, glaubwürdig gezeichnete Nebenfiguren etc. verleihen vielen Kriminalromanen Tiefe und Weltläufigkeit. Schon Thomas De Quincey (1977: 45-46) hatte in seiner Schrift Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet (1827/1854) die These aufgestellt, dass „zur künstlerischen Vollendung einer Mordtat doch etwas mehr gehört als zwei Dummköpfe, einer, der tötet, und einer, der getötet wird, ein Messer, eine Brieftasche und eine dunkle Gasse“, nämlich „Sinn für Gruppierung und Beleuchtung, poetisches Empfinden und Zartgefühl“. Der Versuch, u.a. durch Variation, Verfremdung und Parodie eingefahrene Schemata und dramaturgische Grundmuster zu reaktivieren, um damit dem Wirklichkeitsverständnis des Kriminalromans eine neue Dimension zu geben, hat bedenkenswerte Entwicklungen offen gelegt und die Gattung in ein neues Licht gerückt. Auch für Bertolt Brecht liegt „ein Charakteristikum des Kriminalromans in der Variation mehr oder weniger festgelegter Elemente“, die „dem ganzen Genre sogar das ästhetische Niveau [verleiht]“ (Brecht 1993: 504). Im Gegensatz zum wirklichen Leben ermögliche es der Kriminalroman, die „Kausalität menschlicher Handlungen zu fixieren“. Diese „intellektuellen Operationen“ seien das eigentliche Vergnügen beim Lesen und würden maßgeblich zur Popularität der Gattung beitragen. (ebd.: 509). Friedrich Glauser wiederum sah den Kriminalroman als „verachteten Bruder“ des Romans, von dessen Eigenschaften er „einzig die Spannung beibehalten“ habe, wobei er zwar auch ein wenig fabuliere, „jedoch ohne die sicheren Pfade zu verlassen“ (Glauser 1993: 214f.). 1987 sicherte sich nun der weitsichtige Züricher Diogenes Verlag die Rechte an einem Krimiautor, der es wie kein anderer im Laufe der Zeit verstand, die von Brecht und Glauser propagierten idealen Gattungsmerkmale – Variation und erzählerisches Handwerk – in seinen Detektivromanen exemplarisch umzusetzen und mit hintergründigem Witz und aus unerwarteten Perspektiven die Wirklichkeit abzubilden. Die Rede ist von Jakob Arjouni, der seit seinem fulminanten Erstling Happy Birthday, Türke! im Jahre 1987 zu einem der meistbeachteten Krimiautoren avanciert ist.File in questo prodotto:
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