1984 prognostizierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit der Titelgeschichte Deutsch: Ächz, Würg den Anfang vom Ende der deutschen Sprache. “Eine Industrienation verlernt ihre Sprache”, so hieß es im Untertitel. 2006 setzte es dann noch einen drauf und verkündete: “Die deutsche Sprache wird so schlampig gesprochen und geschrieben wie wohl nie zuvor”. Mit der Parole Rettet dem Deutsch! wurde die sprachlich gebeutelte Nation zum Kampf gegen die “dramatische Verlotterung” und den Ausverkauf der deutschen Sprache (Deutsch for sale) aufgerufen! Seit die deutsche Sprache in das Schussfeld der Kritik geraten ist, erzeugt kaum ein Thema so viel öffentliche Resonanz wie die Frage nach gutem und richtigem Deutsch. Von Sprachverfall und -verwirrung, Primitivisierung oder gar Überfremdung ist allerorts die Rede. Doch wenn Laienlinguisten sprachkritische Themen aufgreifen und kommentieren, verkennen Sie meist die Tatsache, dass linguistische Forschung auf empirisch überzeugende Ergebnisse in Sprachbereichen zielt, die einem ständigen Wandel unterliegen. So hat Peter Eisenberg in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Konrad-Duden-Preises 2008 mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die besondere Aufgabe und Verantwortung der Sprachwissenschaft darin bestehe, “Auswirkungen des kritisierten Sprachgebrauchs auf die Sprache zu untersuchen und der Sprachgemeinschaft deutlich zu machen, was vor sich geht oder absehbar vor sich gehen wird”. Sprache ist nun mal kein statisches Gebilde, das wie ein Fels in der Brandung unerschütterlich allen Einflüssen trotzt. Sie ist permanent Einflüssen und Trends ausgesetzt, die sich sowohl im Sprachgebrauch als auch im Schriftbild – man denke nur an graphostilistische Markierungen in neumedialen Kommunikationsplattformen – niederschlagen können.

Moraldo, S. (2011). Web 2.0 und die deutsche Sprache. Kommunikative und sprachliche Aspekte der Microblogging-Plattform Twitter. ROMA : Carocci.

Web 2.0 und die deutsche Sprache. Kommunikative und sprachliche Aspekte der Microblogging-Plattform Twitter

MORALDO, SANDRO
2011

Abstract

1984 prognostizierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit der Titelgeschichte Deutsch: Ächz, Würg den Anfang vom Ende der deutschen Sprache. “Eine Industrienation verlernt ihre Sprache”, so hieß es im Untertitel. 2006 setzte es dann noch einen drauf und verkündete: “Die deutsche Sprache wird so schlampig gesprochen und geschrieben wie wohl nie zuvor”. Mit der Parole Rettet dem Deutsch! wurde die sprachlich gebeutelte Nation zum Kampf gegen die “dramatische Verlotterung” und den Ausverkauf der deutschen Sprache (Deutsch for sale) aufgerufen! Seit die deutsche Sprache in das Schussfeld der Kritik geraten ist, erzeugt kaum ein Thema so viel öffentliche Resonanz wie die Frage nach gutem und richtigem Deutsch. Von Sprachverfall und -verwirrung, Primitivisierung oder gar Überfremdung ist allerorts die Rede. Doch wenn Laienlinguisten sprachkritische Themen aufgreifen und kommentieren, verkennen Sie meist die Tatsache, dass linguistische Forschung auf empirisch überzeugende Ergebnisse in Sprachbereichen zielt, die einem ständigen Wandel unterliegen. So hat Peter Eisenberg in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Konrad-Duden-Preises 2008 mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die besondere Aufgabe und Verantwortung der Sprachwissenschaft darin bestehe, “Auswirkungen des kritisierten Sprachgebrauchs auf die Sprache zu untersuchen und der Sprachgemeinschaft deutlich zu machen, was vor sich geht oder absehbar vor sich gehen wird”. Sprache ist nun mal kein statisches Gebilde, das wie ein Fels in der Brandung unerschütterlich allen Einflüssen trotzt. Sie ist permanent Einflüssen und Trends ausgesetzt, die sich sowohl im Sprachgebrauch als auch im Schriftbild – man denke nur an graphostilistische Markierungen in neumedialen Kommunikationsplattformen – niederschlagen können.
2011
Deutsch aktuell 2. Einführung in die Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache
247
263
Moraldo, S. (2011). Web 2.0 und die deutsche Sprache. Kommunikative und sprachliche Aspekte der Microblogging-Plattform Twitter. ROMA : Carocci.
Moraldo, Sandro
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