Eine der Eigentülichkeiten der modernen Gesellschaft ist seine vorher unbekannte Neigung,etwas Vorübergehendes als Bezug zu nehmen, und gerade weil man weiß, das es vorübergeht – diebekannte Haltung der Mode: was “in” ist, beansprucht nicht, schön, vernünftig oder interessant zusein, sondern nur modisch, und gefällt obwohl man weißt, daß es bald “out” sein wird und nichtmehr gefallen wird (oder vielleicht gerade deshalb). Man tut es offensichtlich auch deshalb, weilman weiß, daß auch die anderen dasselbe tun, aber merkwürdigerweise beansprucht das Individuumin seiner Uniformierung an die gängigen Tendenzen, kein Modell nachzuahmen, sondern seineEinmaligkeit zu bestätigen: er tut wie die anderen, um anders zu sein und als solcher erkennbar zuwerden.Wie erklärt sich und welche gesellschaftliche Voraussetzungen hat diese eigentümlicheFähigkeit, das Vorübergehende als verbindlichen Bezug zu nehmen – in der Veränderung dieeinzige noch mögliche Form von Stabilität zu suchen? Warum ist diese Tendenz im Lauf des 16.und 17. Jahrhunderts entstanden und wie hat sie sich entwickelt aus dem originären breitenVerständnis – die Mode betraf nicht nur und auch nicht vorwiegend die Kleidung, sondern vielradikaler die Passionen, die Interessen, die philosophischen und estetischen Orientierungen – zumheutigen eingeschränkten aber überall anwesenden Verständnis?Der Text stellt diese Fragen in soziologischer Hinsicht in Bezug auf die Modelle dergesellschaftliche Stratifizierung, auf die Zeitsemantik, auf die Formen der Kontingenz und auf dieVersuche, sie mit den Stilisierung der Konversation und des guten Geschmacks zu kontrollieren, biszur Auseinadersetzung mit den Besonderheiten und den Rätseln der Mode in der heutigenGesellschaft: zugleich banal und unvermeidlich, marginal und überall anwesend, nichtig undübermächtig.
ESPOSITO, E. (2004). Die Verbindlichkeit des Vorübergehenden. Paradoxien der Mode. DEU : Suhrkamp.
Die Verbindlichkeit des Vorübergehenden. Paradoxien der Mode
ESPOSITO, Elena
2004
Abstract
Eine der Eigentülichkeiten der modernen Gesellschaft ist seine vorher unbekannte Neigung,etwas Vorübergehendes als Bezug zu nehmen, und gerade weil man weiß, das es vorübergeht – diebekannte Haltung der Mode: was “in” ist, beansprucht nicht, schön, vernünftig oder interessant zusein, sondern nur modisch, und gefällt obwohl man weißt, daß es bald “out” sein wird und nichtmehr gefallen wird (oder vielleicht gerade deshalb). Man tut es offensichtlich auch deshalb, weilman weiß, daß auch die anderen dasselbe tun, aber merkwürdigerweise beansprucht das Individuumin seiner Uniformierung an die gängigen Tendenzen, kein Modell nachzuahmen, sondern seineEinmaligkeit zu bestätigen: er tut wie die anderen, um anders zu sein und als solcher erkennbar zuwerden.Wie erklärt sich und welche gesellschaftliche Voraussetzungen hat diese eigentümlicheFähigkeit, das Vorübergehende als verbindlichen Bezug zu nehmen – in der Veränderung dieeinzige noch mögliche Form von Stabilität zu suchen? Warum ist diese Tendenz im Lauf des 16.und 17. Jahrhunderts entstanden und wie hat sie sich entwickelt aus dem originären breitenVerständnis – die Mode betraf nicht nur und auch nicht vorwiegend die Kleidung, sondern vielradikaler die Passionen, die Interessen, die philosophischen und estetischen Orientierungen – zumheutigen eingeschränkten aber überall anwesenden Verständnis?Der Text stellt diese Fragen in soziologischer Hinsicht in Bezug auf die Modelle dergesellschaftliche Stratifizierung, auf die Zeitsemantik, auf die Formen der Kontingenz und auf dieVersuche, sie mit den Stilisierung der Konversation und des guten Geschmacks zu kontrollieren, biszur Auseinadersetzung mit den Besonderheiten und den Rätseln der Mode in der heutigenGesellschaft: zugleich banal und unvermeidlich, marginal und überall anwesend, nichtig undübermächtig.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.