Der soziologische Ansatz Teubners geht „topologisch“ vor, getrennt nach vertikal und horizontal gelagerten Problemstellungen. Die „vertikale“ Stoßrichtung in Teubners Theorie verweist auf das Problem der Emergenz neuer Menschenrechte und ihrer „Horizontalwirkung“ (3.1.) sowie auf die Entstehung neuer Rechtssubjekte (3.2.). In beiden Fällen tritt das (gesellschaftliche) Teilsystem des Rechts mit seiner „externen“ Umwelt – der menschlichen Natur in einem weit verstandenen Sinne – in Beziehung und stellt ihre Funktionsfähigkeit sicher. Die „horizontale“ Stoßrichtung ist auf die interne Umwelt des Gesellschafssystems ausgerichtet, d.h. auf die Gesamtheit von Teilsystemen, die Kommunikation kodieren, was heute auf globaler Ebene geschieht (3.3.). Es ließe sich auch sagen, dass im Zentrum der Soziologie Teubners das Problem der Macht – in all ihren Formen – steht, die einerseits in den Prozessen der gesellschaftlichen Evolution freigesetzt wird und die requisite variety des Systems im Ganzen erhöht, aber andererseits beschränkt werden muss, weil sie die im Zuge der gesellschaftlichen Evolution gewonnene Freiheit immer pervertieren oder unterdrücken könnte (4.). Eben aus diesem Grund steht das Konzept der Verfassung im Zentrum von Teubners Projekt. Tatsächlich ist Macht zugleich die wichtigste und gefährlichste Ressource der Gesellschaft. Wenn sie sich auf rasante und unkontrollierte Weise ausdehnt, muss sie eingehegt und beschränkt werden, ohne dass diese Beschränkungen jedoch die Prozesse der gesellschaftlichen Differenzierung zu stark behindern dürften. Teubners Theorie lässt sich daher als emanzipatorische soziologische Aufklärung deuten, als ein sapere aude, das auf die Befreiung der Individualität in einem Kontext sozialer Gerechtigkeit abzielt.

Gesellschaftlicher Konstitutionalismus

riccardo prandini
2019

Abstract

Der soziologische Ansatz Teubners geht „topologisch“ vor, getrennt nach vertikal und horizontal gelagerten Problemstellungen. Die „vertikale“ Stoßrichtung in Teubners Theorie verweist auf das Problem der Emergenz neuer Menschenrechte und ihrer „Horizontalwirkung“ (3.1.) sowie auf die Entstehung neuer Rechtssubjekte (3.2.). In beiden Fällen tritt das (gesellschaftliche) Teilsystem des Rechts mit seiner „externen“ Umwelt – der menschlichen Natur in einem weit verstandenen Sinne – in Beziehung und stellt ihre Funktionsfähigkeit sicher. Die „horizontale“ Stoßrichtung ist auf die interne Umwelt des Gesellschafssystems ausgerichtet, d.h. auf die Gesamtheit von Teilsystemen, die Kommunikation kodieren, was heute auf globaler Ebene geschieht (3.3.). Es ließe sich auch sagen, dass im Zentrum der Soziologie Teubners das Problem der Macht – in all ihren Formen – steht, die einerseits in den Prozessen der gesellschaftlichen Evolution freigesetzt wird und die requisite variety des Systems im Ganzen erhöht, aber andererseits beschränkt werden muss, weil sie die im Zuge der gesellschaftlichen Evolution gewonnene Freiheit immer pervertieren oder unterdrücken könnte (4.). Eben aus diesem Grund steht das Konzept der Verfassung im Zentrum von Teubners Projekt. Tatsächlich ist Macht zugleich die wichtigste und gefährlichste Ressource der Gesellschaft. Wenn sie sich auf rasante und unkontrollierte Weise ausdehnt, muss sie eingehegt und beschränkt werden, ohne dass diese Beschränkungen jedoch die Prozesse der gesellschaftlichen Differenzierung zu stark behindern dürften. Teubners Theorie lässt sich daher als emanzipatorische soziologische Aufklärung deuten, als ein sapere aude, das auf die Befreiung der Individualität in einem Kontext sozialer Gerechtigkeit abzielt.
2019
Werfassung ohne Staat
235
261
riccardo prandini
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