Die 38 Vorlesungen über die Wissenschaftslehre vorgetragen im Jahre 1811 sind eine vollkommene und besonders gut artikulierte Darstellung Fichtes Systems in der Zeit seiner Tätigkeit an der neu gegründeten Universität zu Berlin. Der Öffentlichkeit sind sie erst 1999 bekannt geworden, als sie in der J. G. Fichte Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurden, denn bis dann wurden sie nie erwähnt von den jeweiligen Editoren des Fichte-Nachlasses. Fichte nimmt in dieser Darstellung seines System gegen beide Formen des Nihilismus Stellung, den theoretischen sowie den mit diesem zusammenhängenden praktischen. Um seine systematische Position formulieren und vertreten zu können, setzt sich er sich vor allem mit Spinoza und Kant nochmals auseinander. Spinoza stellt nämlich nach Fichte die Grundfrage der Philosophie, wie neben dem Sein auch ein Dasein denkbar sein kann, während Kant bietet ihm, in dem Begriff der Erscheinung, den Weg zu ihrer Lösung. Aber zwei weitere Probleme stellen Fichte die kritische Philosophie Kants: wie kann man das Bewußtsein beschreiben, wenn man sich nicht aus seinem Zirkel bewegen kann, und wie kann man die in dieser Beschreibung faktisch entdeckte Ursprünglichkeit der Synthesis rechtfertigen? Für Fichte hatte der Begründer der Transzendentalphilosophie die grundlegende synthetische Tätigkeit des Bewußtseins nur noch als ein Faktum des Bewußtseins angenommen. Der Beweis ihrer Möglichkeit ist letztlich nur zu führen, indem man sie auf eine Erscheinungsform der Freiheit als Inbegriff Gottes zurückführte. Diesen Beweisgang versteht nun Fichte als Vervollständigung des transzendentalphilosophischen Programms und zugleich als Mittel, um aus dem Wissen in die Weisheit überzugehen.
M. V. d'Alfonso (2005). Vom Wissen zur Weisheit. Fichtes Wissenschaftslehre 1811. AMSTERDAM/NEW YORK : Rodopi.
Vom Wissen zur Weisheit. Fichtes Wissenschaftslehre 1811
D'ALFONSO, MATTEO VINCENZO
2005
Abstract
Die 38 Vorlesungen über die Wissenschaftslehre vorgetragen im Jahre 1811 sind eine vollkommene und besonders gut artikulierte Darstellung Fichtes Systems in der Zeit seiner Tätigkeit an der neu gegründeten Universität zu Berlin. Der Öffentlichkeit sind sie erst 1999 bekannt geworden, als sie in der J. G. Fichte Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurden, denn bis dann wurden sie nie erwähnt von den jeweiligen Editoren des Fichte-Nachlasses. Fichte nimmt in dieser Darstellung seines System gegen beide Formen des Nihilismus Stellung, den theoretischen sowie den mit diesem zusammenhängenden praktischen. Um seine systematische Position formulieren und vertreten zu können, setzt sich er sich vor allem mit Spinoza und Kant nochmals auseinander. Spinoza stellt nämlich nach Fichte die Grundfrage der Philosophie, wie neben dem Sein auch ein Dasein denkbar sein kann, während Kant bietet ihm, in dem Begriff der Erscheinung, den Weg zu ihrer Lösung. Aber zwei weitere Probleme stellen Fichte die kritische Philosophie Kants: wie kann man das Bewußtsein beschreiben, wenn man sich nicht aus seinem Zirkel bewegen kann, und wie kann man die in dieser Beschreibung faktisch entdeckte Ursprünglichkeit der Synthesis rechtfertigen? Für Fichte hatte der Begründer der Transzendentalphilosophie die grundlegende synthetische Tätigkeit des Bewußtseins nur noch als ein Faktum des Bewußtseins angenommen. Der Beweis ihrer Möglichkeit ist letztlich nur zu führen, indem man sie auf eine Erscheinungsform der Freiheit als Inbegriff Gottes zurückführte. Diesen Beweisgang versteht nun Fichte als Vervollständigung des transzendentalphilosophischen Programms und zugleich als Mittel, um aus dem Wissen in die Weisheit überzugehen.I documenti in IRIS sono protetti da copyright e tutti i diritti sono riservati, salvo diversa indicazione.