Sprachbiographien liegen Selbstbeschreibungen zugrunde, in denen ständige Prozesse der Verortung und Akte des Relativierens mit Mittelpunkt stehen. Während es bei empirischen Sprachbiographien um die narrative Konstruktion eines bestimmten Ichs geht, sind literarische Sprachbiographien, selbst im engeren Sinn, nicht in dieser Eindeutigkeit an das konkrete Ich des Autors zu knüpfen. Vielmehr gehört es zu den Kennzeichen literarischer Texte, dass zwischen Autor und Erzählerfigur keine Eins-zu-Eins-Gleichung gesehen werden kann. Das erzählende Ich ist eine Konstruktion des Autors mit einem anderen Anspruch auf die Wahrheit der erzählten Gegenstände als dies bei einem Interview zur Sprachbiographie geschieht. Mit ihren je unterschiedlichen Erzählstrategien und stilistischen Verfahren gehen aber auch die Erzählungen der empirischen Sprachbiographien über den Anspruch der Authentizität hinaus. Die Zuhörerinnen oder Leser gewinnen den Eindruck, dass in der Art der Selbstdarstellung und der Figurendarstellung auch eine Ebene der Fiktionalisierung angelegt ist, denn die Erzählenden stellen sich durch ihre unterschiedlichen Stile als signifikant verschiedene Erzählerpersönlichkeiten dar. Es zeigt sich hier eine interessante Schnittstelle zwischen faktualem Erzählen im Alltag und fiktionalem Erzählen in der Literatur, die an ausgewählten Beispielen verdeutlicht wird.

Sprachbiographien: empirisch und literarisch / Thune E.. - STAMPA. - (2010), pp. 59-80.

Sprachbiographien: empirisch und literarisch

THUNE, EVA-MARIA CHRISTINA CHARLOTTE
2010

Abstract

Sprachbiographien liegen Selbstbeschreibungen zugrunde, in denen ständige Prozesse der Verortung und Akte des Relativierens mit Mittelpunkt stehen. Während es bei empirischen Sprachbiographien um die narrative Konstruktion eines bestimmten Ichs geht, sind literarische Sprachbiographien, selbst im engeren Sinn, nicht in dieser Eindeutigkeit an das konkrete Ich des Autors zu knüpfen. Vielmehr gehört es zu den Kennzeichen literarischer Texte, dass zwischen Autor und Erzählerfigur keine Eins-zu-Eins-Gleichung gesehen werden kann. Das erzählende Ich ist eine Konstruktion des Autors mit einem anderen Anspruch auf die Wahrheit der erzählten Gegenstände als dies bei einem Interview zur Sprachbiographie geschieht. Mit ihren je unterschiedlichen Erzählstrategien und stilistischen Verfahren gehen aber auch die Erzählungen der empirischen Sprachbiographien über den Anspruch der Authentizität hinaus. Die Zuhörerinnen oder Leser gewinnen den Eindruck, dass in der Art der Selbstdarstellung und der Figurendarstellung auch eine Ebene der Fiktionalisierung angelegt ist, denn die Erzählenden stellen sich durch ihre unterschiedlichen Stile als signifikant verschiedene Erzählerpersönlichkeiten dar. Es zeigt sich hier eine interessante Schnittstelle zwischen faktualem Erzählen im Alltag und fiktionalem Erzählen in der Literatur, die an ausgewählten Beispielen verdeutlicht wird.
2010
Polyphonie - Mehrsprachigkeit und literarische Kreativität
59
80
Sprachbiographien: empirisch und literarisch / Thune E.. - STAMPA. - (2010), pp. 59-80.
Thune E.
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